Endlagerung von hoch radioaktiven Abfällen
Beginn der Standortsuche
Im Januar 2014 trat das Gesetz zur Standortsuche in Kraft, das Standortauswahlgesetz (StandAG). Ziel des Gesetzes ist die Suche nach einem Standort für hoch radioaktive Abfälle zur Endlagerung, der eine bestmögliche Sicherheit und dauerhaften Schutz für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet. Der Suchprozess soll ergebnissoffen und unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden. Mögliche Standorte werden nach wissenschaftlichen Sicherheitskriterien ermittelt. Eigens für diesen Zweck wurde die Bund-Länder-Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ gegründet (sogenannte Endlagerkommission).
Die Kommission setzte sich wie folgt zusammen: zwei Vorsitzende, acht Vertreter aus der Wissenschaft, acht Vertreter aus Umweltverbänden, Religionsgemeinschaften, Wirtschaft und Gewerkschaft, acht Vertreter aus dem Bundestag und acht Vertreter aus den Landesregierungen darunter die Bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf.
Bildquelle: DBT/von Saldern
Für eine transparente Suche nach einem Endlager, an der sich Bürgerinnen und Bürger oder auch Regionen beteiligen können, entwickelte die Kommission Kriterien für den weiteren Auswahlprozess. Diese Kriterien dienen vor allem zur Bewertung der geologischen Eigenschaften der potentiellen Endlagerstandorte. Aber auch planungswissenschaftliche Kriterien zur Berücksichtigung sonstiger Faktoren, wie z.B. Umweltaspekte und Infrastruktur, wurden entwickelt. Die Kommission hat Ende Juni 2016 einen Bericht beschlossen, der Vorschläge zu den Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien für die Endlagersuche beinhaltet. Bayern begrüßte die Empfehlungen der Kommission grundsätzlich, verwies aber darauf, dass die geologische Barriere höchste Wichtigkeit hat. Bei der Sicherheit dürfen keine Abstriche gemacht werden. Oberstes Ziel ist es, Mensch und Umwelt langfristig zu schützen. Von der Kommission werden dennoch auch Endlagerkonzepte nicht grundsätzlich ausgeschlossen, bei denen der langzeitsichere Einschluss der radioaktiven Abfälle nicht nur auf geologischer Sicherheit, sondern auch auf technischen Barrieren beruht. Ein Endlager dessen Sicherheit über eine Million Jahre auf technischen Barrieren beruhen soll, kann aber nicht die bestmögliche Sicherheit darstellen.
Die Empfehlungen der Kommission sollen baldmöglichst in das Standortauswahlgesetz einfließen, für dessen Verabschiedung der Bundestag zuständig ist.
Die Phasen des Standortauswahlverfahrens
Die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ bereitete in der Zeit von Mai 2014 bis Ende Juni 2016 die eigentliche Standortsuche, das Standortauswahlverfahren, vor, indem sie die Kriterien für die Suche und die Auswahl erarbeitete und relevante Grundsatzfragen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle untersuchte und bewertete. Der Bericht der Kommission wurde Bundestag, Bundesrat sowie der Bundesregierung übergeben. Im Anschluss werden die erarbeiteten Kriterien durch den Bundestag gesetzlich festgelegt. Danach beginnt das eigentliche Standortauswahlverfahren.
Die Kommission hat das Standortauswahlverfahren in drei Phasen untergliedert:
Phase 1: Ausschluss von Regionen aufgrund der Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen. Vorhandene Daten werden analysiert.
Phase 2: Übertägige Erkundung der in Phase 1 identifizierten, möglicherweise geeigneten Standortregionen. Dazu werden seismische und andere physikalische Verfahren an bestimmten Standorten zur Erkundung des Untergrunds durchgeführt. Auch Bohrungen sind vorgesehen.
Phase 3: Untertägige Erkundung der als Ergebnis in Phase 2 ausgewählten Standorte. Vertiefende Untersuchungen im Hinblick auf die Anforderungen an eine sichere Endlagerung, mit dem Ziel, den Standort mit bestmöglicher Sicherheit zu identifizieren.
Der Abschluss jeder Phase erfolgt durch einen Beschluss des Bundestages und des Bundesrates.
Weiterer Ablauf der Standortsuche
Für die Standortsuche wird eine neue Behördenstruktur benötigt. Ein neues „Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE)“ wurde bereits gegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gründung einer neuen „Bundes-Gesellschaft für kerntechnische Entsorgung (BGE)“ wurden im Juni 2016 geschaffen. Ihre wesentliche Aufgabe wird der Bau, der Betrieb und die Stilllegung von Endlagern für radioaktive Abfallstoffe sein.
Es ist geplant die Empfehlungen der Kommission bis Ende 2016 / Anfang 2017 durch Novellierung des StandAG und anderer Gesetze umzusetzen. Danach soll zügig, noch im Jahr 2017, mit der ersten Phase des Auswahlverfahrens begonnen werden.
Stellungnahme Bayerns zum Bericht der Kommission
Mit der Zustimmung zum Standortauswahlgesetz (StandAG) im Sommer 2013 haben sich Bund und Länder auf einen Neubeginn für die Suche nach einem Endlager für insbesondere Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle geeinigt. Damit hat sich auch Bayern zu einer unvoreingenommenen und transparenten Suche nach dem Prinzip der weißen Landkarte und auf der Basis wissenschaftsbasierter Kriterien bekannt. Zur Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens sollten zunächst von der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ Grundsatzfragen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle geklärt und insbesondere Vorschläge für Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien zur Standortauswahl sowie Anforderungen an das Verfahren des Auswahlprozesses erarbeiten werden.
Der nun vorliegende Bericht ist ein wichtiger und bedeutender Schritt für einen zukunftsweisenden Konsens, um im anschließenden Standortauswahlverfahren zu einem sicheren Endlager für insbesondere Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle zu gelangen. Diesen Konsens trägt Bayern grundsätzlich mit. Die nachfolgenden Punkte sind jedoch entscheidend.
Die von der Kommission aufgestellten geowissenschaftlichen Kriterien basieren auf dem Endlagerkonzept des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs (ewG-Konzept). Von der Kommission werden dennoch auch Endlagerkonzepte nicht grundsätzlich ausgeschlossen, bei denen der langzeitsichere Einschluss der radioaktiven Abfälle auf technischen Barrieren beruht (nachfolgend "Behälterkonzept" genannt) bzw. eine Kombination aus ewG- und Behälterkonzept (Kap. „Nachweisführung über den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfallstoffe“). Nach Auffassung des Freistaats Bayern kann lediglich das Endlagerkonzept des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs zu einem Endlager mit bestmöglicher Sicherheit führen. Bereits der AkEnd hat das ewG-Konzept als sicheres Endlagerkonzept entwickelt. Ein Endlager dessen Sicherheit über 1 Million Jahre auf technischen Barrieren beruhen soll, kann nicht die bestmögliche Sicherheit darstellen.
Für die anderen Endlagerkonzepte ist noch nicht ausreichend gezeigt, dass ein auf Behältertechnologie, Buffer und geotechnischen Barrieren basierender Langzeitsicherheitsnachweis zu einer gleichwertigen und gleich robusten Sicherheitsaussage führt wie ein Langzeitsicherheitsnachweis auf Basis des ewG-Konzepts. Damit sind für das neue Standortauswahlverfahren zunächst verschiedene Endlagerkonzepte mit den entsprechenden Sicherheitsanforderungen auszuarbeiten.
Auf der einen Seite sollen die aufgestellten Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien über alle drei Phasen des Auswahlprozesses und für alle drei Wirtsgesteine gültig bleiben (Kap. „Geowissenschaftliche Kriterien“), auf der anderen Seite können jedoch Schwächen der geologischen Barriere durch technische und geotechnische Vorkehrungen ausgeglichen werden. Dies ist widersprüchlich und konterkariert die aufgestellten geowissenschaftlichen Kriterien. Gerade auch beim Kriterium „Mächtigkeit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs“ muss die Mindestanforderung eines homogenen nicht zerklüfteten 100 Meter mächtigen einschlusswirksamen Gebirgsbereichs für alle drei Wirtsgesteinsformationen gleich gelten.
Darüber hinaus erhöht sich durch das Zulassen des Behälterkonzepts und dem damit verbundenen „Ausgleich“ fehlender geologischer Barrieren durch technische Barrieren Komplexität und Umfang des Untersuchungsaufwands und damit auch die Dauer der Suche nach potenziell in Frage kommenden Regionen erheblich. Bayern lehnt daher ein derartiges Vorgehen ab.
Das ewG-Konzept muss die Basis der Kriterien und des ganzen Auswahlverfahrens darstellen. Durch die alleinige Anwendung des ewG-Konzepts im Standortauswahlverfahren kann sowohl dem StandAG Rechnung getragen werden, in die Suche die möglichen Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin einzubeziehen, als auch der Verantwortung, die Lösung der Endlagerfrage nicht auf die nachfolgenden Generationen zu übertragen.
Das Behälterkonzept verlängert und verkompliziert lediglich die Suche nach einem Endlager. Auch im Hinblick auf die Räumung der Standortzwischenlager sollte eine zügige Suche eines Endlagers angestrebt und gewollt sein. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich die Standortzwischenlager schleichend zu faktischen Endlagern entwickeln.