Projektverbund BayBionik - Von der Natur zur Technik
Die Natur ist effizient, sowohl was den Verbrauch von Energie als auch von Rohstoffen anbelangt. In der Natur geht nichts verloren, alles wird wiederverwertet. Die Bionik kann als Verbindung von Biologie und Technik dieses Wissen nutzen.
Im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums hat die Technische Hochschule Deggendorf daher den Projektverbund „BayBionik - Von der Natur zur Technik“ entwickelt. Biologische Vorgänge, Strukturen und Materialien sollen als Vorlage für technische Innovationen dienen. Durch geringen Material- oder Energieverbrauch kann so beispielsweise zu nachhaltigen Entwicklungen in Industrie und Wirtschaft beigetragen werden.
Der Projektverbund BayBionik ist 2019 gestartet. Beteiligt sind Forschergruppen aus Bayreuth, Deggendorf, Erlangen, Freyung, Nürnberg und Straubing. Mit dem Verbund soll das Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, für umweltschonende Produktionsprozesse und verantwortungsvolle Entsorgung gestärkt werden. Die Forschungsvorhaben sollen auch allgemein die Möglichkeiten der Bionik aufzeigen und als Vorbilder Andere anregen. Aus diesem Grund wird dieser Projektverbund als erster des Umweltministeriums von einem Bildungsprojekt begleitet. Der Gedanke der Nachhaltigkeit wird durch das Bionicum Nürnberg anhand der beforschten Beispiele direkt an die breite Öffentlichkeit herangetragen werden. Das Bayerische Umweltministerium finanziert den Projektverbund mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Millionen Euro.
Die Bionik ist eine Forschungsdisziplin, die einen erheblichen positiven Beitrag für unsere Gesellschaft und die Lösung aktueller Herausforderungen leisten kann. Der Projektverbund soll die Chancen der Bionik für den technischen Umweltschutz aufzeigen und helfen, zukünftige Entwicklungen verantwortungsvoll und nachhaltig zu gestalten. Damit trägt der Projektverbund zum Hightech-Standort Bayern bei.
Video: "Projektverbund BayBionik"
Teilprojekte
Der Projektverbund läuft vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2021 und besteht aus zwei Schwerpunkten mit insgesamt sechs Forschungsprojekten, einem Bildungsprojekt und einem Vorhaben, das den Verbund koordiniert.
Schwerpunkt: Selbstreinigende, nachhaltige Oberflächen
Selbstreinigende Oberflächen inspiriert durch die Kannenpflanze, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik, Prof. Dr. Nicolas Vogel
Muschelteppiche an Schiffen, Schneckenplagen in der Landwirtschaft, gefährliche Eiszapfen an Dachrinnen: Stark abweisende Beschichtungen zu entwickeln, die so etwas in Zukunft vermeiden sollen, ist das Ziel dieses BayBionik-Projekts. Kannenpflanzen aus der Nepenthes Familie liefern dafür interessante Ansätze. Die fleischfressende Pflanze bildet an ihrem Kannenrand eine glitschige Oberfläche. Insekten können sich nicht festhalten und schlittern unaufhaltsam ins Innere der Kanne. Nach diesem Vorbild sollen Antihaft-Beschichtungen hergestellt werden, die Verschmutzungen einfach an der Oberfläche abgleiten lassen. (Foto: Kannenpflanze, Quelle: public domain)
Video: "Projekt selbstreinigende Oberflächen"
Nachhaltige Oberflächenfunktionalisierung nach dem Vorbild der Natur, Technische Hochschule Deggendorf, Prof. Dr. Martin Aust
Die Oberflächen von Produkten des täglichen Bedarfs werden mit Funktionen, wie z. B. der leichten Reinigbarkeit, versehen. Hierzu werden diese Produkte in einem zusätzlichen Verfahrensschritt beschichtet. Diese Beschichtungen sind während der Benutzung der Gegenstände Umwelteinflüssen ausgesetzt, die die Beschichtung schädigen oder zerstören können. Die Funktion geht verloren. Im Rahmen des Projektes wird nach Stoffen (Additive) gesucht, die in das Grundmaterial Kunststoff eingemischt werden können und die durch Wanderung an die Oberfläche die Funktionsschicht von innen heraus erzeugen. Denkbar wären natürliche Vorbilder aus den Bereichen der Wundheilung sowie des Nährstoff- oder des Flüssigkeitstransports. (Foto: Lotuseffekt; Quelle: Karlheinz Knoch)
Video: "Projekt nachhaltige Oberflächenfunktionalisierung"
Schwerpunkt: Intelligente, ressourceneffiziente Systeme
Energieeffiziente Herstellung strukturierter Biokeramik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl Glas und Keramik, Prof. Dr. Stephan E. Wolf
Knochen, Zähne oder Muschelschalen: Viele Lebewesen bauen Schicht für Schicht eine leistungsfähige Biokeramik auf. In Perlmutt z. B. wechseln sich Schichten von Kalk mit denen von Proteinen ab. Erst die Verbindung aus beiden macht Perlmutt so außerordentlich belastbar. Biokeramiken sparen dabei Material und Energie: Eine Muschel muss weniger Schale bilden, ein Skelett wird leichter. Der Aufbauprozess funktioniert bereits bei geringen Temperaturen, wie etwa bei 4°C in der Tiefsee. Menschengemachte Keramiken müssen bei 800 - 2500°C gebrannt werden, damit sie sich ausreichend verfestigen können. Ziel dieses BayBionik-Projekts ist es, bioinspirierte Beschichtungen zu erzeugen. Solche Beschichtungen können beispielsweise für Knochen-Implantate genutzt werden und langfristig eine nachhaltige Alternative zu den energetisch aufwändigen Keramikprozessen darstellen. (Foto: Perlmutt; Quelle: Stephan E. Wolf)
Bionische High-Tech-Materialien für optische Anwendungen; BionOptik I: Universität Bay-reuth, Lehrstuhl für Biomaterialien, Prof. Dr. Thomas Scheibel
BionOptik II: Technische Universität München Campus Straubing, Lehrstuhl für Biogene Po-lymere, Prof. Dr. Cordt Zollfrank
Ziel dieser zwei Projekte ist die Herstellung von bioinspirierten „Glasfaserkabeln“, die aus den biologischen Materialien Cellulose und Spinnenseide bestehen. Als Vorbild dient der Gießkannenschwamm (Euplectella aspergillum), dessen Glasnadeln durch den besonderen Aufbau Licht leiten können. Cellulosepartikel fungieren als optische Leiter, während die Spinnenseide durch ihre herausragenden mechanischen Eigenschaften die robuste und flexible Hülle der Faser bildet. Cellulose und Spinnenseide stellen umweltfreundliche, ungiftige und biologisch abbaubare Substanzen dar. Durch ihre Verwendung können fossile Ressourcen eingespart werden und durch einen Herstellungsprozess unter moderaten Bedingungen wird eine Verbesserung der Energieeffizienz erreicht. (Foto: Giesskannenschwamm; Quelle: Martin Reimer)
Ein Eulenhalsgelenk für effizientere Maschinen, Technische Hochschule Nürnberg, Institut für Chemie, Material- und Produktentwicklung, Prof. Dr. Rüdiger Hornfeck
Für eine gute Rundumsicht drehen Eulen ihren Kopf fast komplett um die eigene Achse. Die genaue Analyse dieser Bewegung und vor allem die ununterbrochene Blutzufuhr des Gehirns während der starken Verdrehung des Halses stehen im Fokus dieses BayBionik-Projekts. Denn in der Technik können derart bewegliche Gelenke sinnvoll eingesetzt werden. Herkömmliche Gelenkroboter sind zu schwer und benötigen sehr viel Energie. Das Forschungsteam analysiert das Zusammenspiel der Eulen-Halswirbel und konstruiert daraus beispielsweise energieeffizientere Gelenke für Baumaschinen oder Handlingsroboter in der Pflege. (Foto: Schneeeule; Quelle: Peter Steidl)
Video: "Projekt Eulenhalsgelenk"
Video: "Projekt Eulenhalsgelenk von OHM-CMP"
Koordinierungs- und Begleitvorhaben für den Projektverbund BayBionik
Koordinierungsvorhaben zum Projektverbund BayBionik, Technische Hochschule Deggendorf, Technologie Campus Freyung, Arbeitsgruppe Bionik, Kirsten Wommer, Dr. Kristina Wanieck
Das Vorhaben ist verantwortlich für die Organisation des Projektverbundes, das Berichtswesen und die wissenschaftliche Kontrolle. Es soll die enge Vernetzung und den Austausch der Projektnehmer, auch über die Schwerpunkte hinweg, z. B. durch Organisation regelmäßiger Treffen unterstützen, den Projektverbund bei öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten nach außen vertreten sowie die Öffentlichkeitsarbeit über verschiedene Veranstaltungen, Plattformen und Medien koordinieren. Es unterstützt die Projektpartner, indem projektspezifische Beiträge der Bionik zur Nachhaltigkeit weiter angeregt und Kontakte zu Akteuren der gesamten Wertschöpfungskette über verschiedene Netzwerke hergestellt werden.
Begleitvorhaben des Bionicums für den Projektverbund BayBionik, Bionicum im Tiergarten Nürnberg, Dr. Eva Gebauer
Die Natur als Vorbild für umweltbewusste Technik. Das ist Bionik! Dieses Projekt lässt die Öffentlichkeit an der bionischen Forschung teilhaben – von den ersten Schritten bis hin zum letzten Schliff. Im Besucherzentrum Bionicum im Tiergarten Nürnberg werden biologische Vorbilder und technische Innovationen für Jedermann erlebbar. Das Bionicum wird die Forschungsprojekte von Anfang an begleiten. Interessierte Besucher erhalten vor Ort Einblick in den Stand der Forschung oder erfahren darüber auf Veranstaltungen außer Haus und über Social Media.