Projektverbund BayBionik - Von der Natur zur Technik
 
                            Am 17.03.2022 stellten die Projektnehmer die Ergebnisse des Verbunds Umweltminister Glauber und der Öffentlichkeit bei einem wissenschaftlichen Marktplatz im Bionicum im Tiergarten Nürnberg vor.
Der  Projektverbund zeigte die Chancen der Bionik für den technischen Umweltschutz  auf. Wissenschaftlich-technischer Fortschritt, der den Umweltschutz explizit  berücksichtigt, ermöglicht nachhaltiges Wirtschaften und verantwortungsvolle  Innovation. Durch die  Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wie dem Schutz- und Sportkleidungshersteller  UVEX oder dem Kunststoffspezialisten für KFZ-Teile PARAT konnten anwendungsnahe  umweltfreundlichere Techniken entwickelt werden. Eine durchgeführte  Zielgruppenanalyse wurde genutzt, um interessierte Unternehmen gezielt auf die  Ergebnisse des Projektverbundes aufmerksam zu machen. So soll auch zukünftig  die Zusammenarbeit zwischen den Projektgruppen und Unternehmen gestärkt werden.
                              BayBionik  dient als Vorzeigebeispiel für einen ganzheitlichen Ansatz bei der  Produktentwicklung, der den gesamten Lebenszyklus eines Produktes  berücksichtigt. Bionik kann helfen, umweltfreundlichere Verfahren bereits bei  Entwicklung und Herstellung zu nutzen und zu berücksichtigen. Die  interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich der Bionik-Forschung und -Entwicklung  konnte durch den Projektverbund trotz Corona-Pandemie maßgeblich gestärkt und  das Thema Nachhaltigkeit verstärkt im Bewusstsein der Forscher verankert  werden.
                              Durch die  Einbindung des Bionicums konnten Forschungsergebnisse zeitnah und  allgemeinverständlich einem breiten Publikum vermittelt werden. Es sind zahlreiche  Materialien für Unterricht und Bildung (Videos, Podcasts, digitale  Arbeitsmaterialien für Schulen, eine spielerische Lern-App) entstanden, die den  Gedanken der Nachhaltigkeit in der Bevölkerung fester verankern.
Projektverbund BayBionik
Die Natur ist effizient, sowohl was den Verbrauch von Energie als auch von Rohstoffen anbelangt. In der Natur geht nichts verloren, alles wird wiederverwertet. Die Bionik kann als Verbindung von Biologie und Technik dieses Wissen nutzen.
						    Im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums hat die Technische Hochschule Deggendorf daher den Projektverbund „BayBionik - Von der Natur zur Technik“ entwickelt.
Der Projektverbund BayBionik lief von 2019 bis 2022. Beteiligt waren Forschergruppen aus Bayreuth, Deggendorf, Erlangen, Freyung, Nürnberg und Straubing. Das Bayerische Umweltministerium finanzierte den Projektverbund mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Millionen Euro.
Ergebnisse der Teilprojekte
Der Projektverbund bestand aus zwei Schwerpunkten mit insgesamt sechs Forschungsprojekten, einem Bildungsprojekt und einem Vorhaben, das den Verbund koordiniert.
Schwerpunkt: Selbstreinigende, nachhaltige Oberflächen
Selbstreinigende Oberflächen inspiriert durch die Kannenpflanze, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik, Prof. Dr. Nicolas Vogel

Kannenpflanzen aus der Nepenthes Familie liefern  interessante Ansätze  für stark abweisende Beschichtungen. Die fleischfressende Pflanze bildet an ihrem Kannenrand eine glitschige Oberfläche. Insekten können sich nicht festhalten und schlittern unaufhaltsam ins Innere der Kanne. Nach diesem Vorbild konnten Antihaft-Beschichtungen hergestellt werden, die Verschmutzungen einfach an der Oberfläche abgleiten lassen. So wurde eine einfache, skalierbare und nachhaltige  Beschichtungsmethode für flüssigkeitsabweisende, selbstreinigende und  nicht-foulende Oberflächen entwickelt, u. a. zur Verhinderung von Muschel- oder  Algenbewuchs oder zur verbesserten Reinigung (Zementabweisung an Stiefeln im  Baubereich). Es konnte eine effiziente Regenerationsstrategie bei Verlust der  abweisenden Eigenschaften und ein skalierbares Auftragsverfahren (Spray  Coating) erarbeitet werden.
(Foto: Kannenpflanze, Quelle: public domain)
Nachhaltige Oberflächenfunktionalisierung nach dem Vorbild der Natur, Technische Hochschule Deggendorf, Prof. Dr. Martin Aust

Die Oberflächen von Produkten des täglichen Bedarfs werden mit Funktionen, wie z. B. der leichten Reinigbarkeit, versehen. Hierzu werden diese Produkte in einem zusätzlichen Verfahrensschritt beschichtet. Diese Beschichtungen sind während der Benutzung der Gegenstände Umwelteinflüssen ausgesetzt, die die Beschichtung schädigen oder zerstören können. Die Funktion geht verloren.Die  langanhaltende Funktionalität einer leicht zu reinigenden Oberfläche wurde über  Depots eines Wirkstoffs im Kunststoffmaterial weiterentwickelt, z. B. für  Anbauteile aus Kunststoff für Nutzfahrzeuge. So kann eine energieaufwendige und  teils giftige Beschichtung überflüssig werden. Positive Eigenschaften der  Kunststoffe wurden mit Hilfe von Klimawechseltests auf ihre Haltbarkeit und  Selbsterneuerung getestet. Es konnte bereits ein erster Prototyp für reale  Anwendung im Caravanbereich gefertigt werden.
(Foto: Lotuseffekt; Quelle: Karlheinz Knoch)
Schwerpunkt: Intelligente, ressourceneffiziente Systeme
Energieeffiziente Herstellung strukturierter Biokeramik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl Glas und Keramik, Prof. Dr. Stephan E. Wolf

Knochen, Zähne oder Muschelschalen: Viele Lebewesen bauen Schicht für Schicht eine leistungsfähige Biokeramik auf. In Perlmutt z. B. wechseln sich Schichten von Kalk mit denen von Proteinen ab. Erst die Verbindung aus beiden macht Perlmutt so außerordentlich belastbar. Biokeramiken sparen dabei Material und Energie: Eine Muschel muss weniger Schale bilden, ein Skelett wird leichter. Der Aufbauprozess funktioniert bereits bei geringen Temperaturen, wie etwa bei 4°C in der Tiefsee. Menschengemachte Keramiken müssen bei 800 - 2500°C gebrannt werden, damit sie sich ausreichend verfestigen können. Durch Anpassung von Syntheseprinzipien aus der Natur konnte im Vorhaben ein ressourceneffizientes, da bei Raumtemperatur stattfindendes, Layer-by-Layer-Verfahren etabliert werden. Dadurch können Hybridkeramik-Schichten generiert werden, die als neue Materialklasse einen anorganischen und einen organischen Anteil zu einer funktionellen Einheit verbinden.(Foto: Perlmutt; Quelle: Stephan E. Wolf)
 Bionische High-Tech-Materialien für optische Anwendungen; BionOptik I: Universität Bay-reuth, Lehrstuhl für Biomaterialien, Prof. Dr. Thomas Scheibel 
					    BionOptik II: Technische Universität München Campus Straubing, Lehrstuhl für Biogene Polymere, Prof. Dr. Cordt Zollfrank
							
In den beiden Projekten wurden Biopolymere als optische Materialien, nach dem Vorbild des Gießkannenschwamms aus Mantel und Kern bestehend, genutzt, um im Sinne der Bioökonomie neuartige Biopolymer-optische Fasern nachhaltig ohne fossile Rohstoffe herzustellen. Lichtwellenleiter spielen sowohl in der technischen Optik als auch zur Datenübertragung eine besondere Rolle. Dazu wurden Spinnenseidenproteine als Mantel erfolgreich mit einer Cellulose-bindenden-Domäne gekoppelt und in Bakterien hergestellt (BionOptik I). Im BionOptik II-Teilprojekt wurden über ein Nassspinnverfahren Cellulosefasern erzeugt, die als Kernstruktur für die Lichtwellenleiter dienen. Die bisher hergestellten Regeneratcellulosefasern weisen den zurzeit weltweit niedrigsten Dämpfungsverlust für optische Fasern auf Cellulosebasis auf. Kommerzielle Anwendungen sind denkbar. (Foto: Giesskannenschwamm; Quelle: Martin Reimer)
Ein Eulenhalsgelenk für effizientere Maschinen, Technische Hochschule Nürnberg, Institut für Chemie, Material- und Produktentwicklung, Prof. Dr. Rüdiger Hornfeck

Für eine gute Rundumsicht drehen Eulen ihren Kopf fast komplett um die eigene Achse. Die genaue Analyse dieser Bewegung und vor allem die ununterbrochene Blutzufuhr des Gehirns während der starken Verdrehung des Halses standen im Fokus dieses BayBionik-Projekts. In Anlehnung am biologischen Aufbau der Eulenkopfdrehung  wurde im Vorhaben „ein bionisch inspirierter“ Robotergreifarm gebaut. Als  Antriebstechnik, um die flexiblen Bewegungen des Greifarms zu ermöglichen,  wurden ressourcenschonende FGL-Drähte (Formgedächtnislegierungen) eingesetzt,  die trotz geringem Bauraum ausreichend Kräfte liefern können. Ein Prototyp des  Gelenkarms zeigt hohe Beweglichkeit und Erreichbarkeit von vielen Positionen,  die mit Hilfe von Bewegungskarten visuell dargestellt werden können. Dieses  bionische Konstruktionsprinzip ist energieeffizient und kann für neuartige  Gelenkroboter z. B. zu Inspektionszwecken und zum Bewegen leichter Lasten  nützlich sein.
(Foto: Schneeeule; Quelle: Peter Steidl)
Koordinierungs- und Begleitvorhaben für den Projektverbund BayBionik
Koordinierungsvorhaben zum Projektverbund BayBionik, Technische Hochschule Deggendorf, Technologie Campus Freyung, Arbeitsgruppe Bionik, Kirsten Wommer, Dr. Kristina Wanieck
Das Vorhaben war verantwortlich für die Organisation des Projektverbundes, das Berichtswesen und die wissenschaftliche Kontrolle. Es koordinierte die Zusammenarbeit der einzelnen Projekte im Verbund und innerhalb der Schwerpunkte, um Synergieeffekte zu schaffen, die Außendarstellung des Verbunds und die Präsentation der Ergebnisse in der Öffentlichkeit. Dazu wurde u. a. ein eigener Internetauftritt des Verbunds etabliert. So konnte das Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, für umweltschonende Produktionsprozesse und verantwortungsvolle Entsorgung innerhalb des Projektverbundes gestärkt werden. Die beteiligten Institutionen wurden über eine bibliographische sowie eine Zielgruppenanalyse unterstützt, der Verbund bei externen Veranstaltungen vorgestellt und im (inter-) nationalen Kontext positioniert.
Begleitvorhaben des Bionicums für den Projektverbund BayBionik, Bionicum im Tiergarten Nürnberg, Dr. Eva Gebauer
Im Begleitvorhaben wurde durch die Zusammenarbeit mit dem Bionicum Nürnberg der Nachhaltigkeitsgedanke mit Beispielen der positiv wahrgenommenen Bionik über moderne Mittel der Didaktik und Pädagogik an die breite Öffentlichkeit herangetragen. Neben öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen entstanden u. a. Videos und Podcasts zu jedem Teilprojekt, digitale Arbeitsmaterialien für Schulen, eine Sonderausstellung und eine App zum Projektverbund. Die angehende Astronautin Dr. Suzanna Randall macht in einem holographischen Wanderexponat dafür Werbung.
Mehr über den Projektverbund ist auf der Internetseite BayBionik zu finden.
Gesamtfinanzierung
1,8 Millionen Euro

