ZEITBEDARF DER ENDLAGERSUCHE
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Abfall nach dem Standortauswahlgesetz (StandAG) ist ein zeitaufwendiges Verfahren. Nach dem 2017 verabschiedeten StandAG war angestrebt, innerhalb von lediglich 14 Jahren bis zum Jahr 2031 den Standort für ein Endlager zu finden. Inzwischen steht fest, dass die Endlagersuche deutlich länger dauern wird.
Seit der Vorlage der zeitlichen Abschätzung des Suchverfahrens durch die BGE im Dezember 2022 haben sich die Diskussionen zur Dauer des Verfahrens und zu möglichen Ansätzen für eine Beschleunigung zum festen Bestandteil der öffentlichen Debatte entwickelt.

Tabelle: Abschätzung der Zeitbedarfe für die drei Phasen der Endlagersuche auf Basis der Abschätzung der BGE und der entsprechenden Stellungnahme des BASE. Für Phase II wird das Szenario der BGE zu Grunde gelegt bei dem 10 Standortregionen erkundet werden, für Phase III das Szenario mit zwei zu erkundenten Standorten. Die angegebenen Zeit-bedarfe des BASE sowie die Dauer der Gesetzgebungsverfahren in den Phasen II und III sind vom StMUV aus der Ab-schätzung für Phase I übertragen worden. (üE – übertägige Erkundung, uE – untertägige Erkundung)
Unter dem Namen „Unterstützung des BASE bei der Prozessanalyse des Standortauswahlverfahrens (PaSta)“ lief von 04/2020 - 02/2024 (Pausierung 02/2021 – 03/2023) ein BASE-Forschungsprojekt, das sich mit der frühzeitigen Erarbeitung einer Gesamtprozessanalyse für das mit dem Standortauswahlgesetz vorgegebene Standortauswahlverfahren beschäftigte.
Es wurden unter anderem diejenigen Verfahrensschritte identifiziert, die in wechselseitiger Abhängigkeit die Gesamtdauer des Verfahrens maßgeblich beeinflussen. Daraus ergibt sich, dass die notwendige Interaktion der verschiedenen Akteure im Verfahren untereinander sowie die zeitlichen Abhängigkeiten ihrer Verfahrensschritte zueinander auf die Dauer des Verfahrens wirken. Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass selbst bei einem idealen Projektablauf damit gerechnet werden muss, dass das Verfahren erst im Jahr 2074 abgeschlossen werden kann. Zugrunde gelegt wurde dabei, dass die gesetzlichen Bedingungen unverändert bleiben und in Phase III des Suchverfahrens eine untertägige Erkundung in aufgefahrenen Bergwerken durchgeführt wird.
Die Genehmigung und der Bau des Endlagers werden nach der Standortentscheidung noch weitere Jahrzehnte benötigen. Ein betriebsfähiges Endlager wäre damit in Deutschland, erst im 22. Jahrhundert zu erwarten.
Der hohe Zeitbedarf für die Endlagersuche hat weitreichende Konsequenzen. So müssen die Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle sehr viel länger betrieben werden als ursprünglich geplant. Zudem fallen die aktuellen Teilgebiete (in Bayern 2/3 der Landesfläche) unter die sogenannte Standortsicherung nach § 21 StandAG wodurch eine alternative Nutzung des geologischen Untergrundes z.B. für Geothermie-Vorhaben ggf. erschwert bzw. verhindert wird.
Der benötigte Zeitbedarf bis zur endgültigen Standortentscheidung zieht die Glaubwürdigkeit des gesamten Verfahrens in Zweifel. Es ist zudem fraglich, ob ein derart langes Verfahren zu mehr Sicherheit und mehr Akzeptanz führt.
Daher sollte im Rahmen des lernenden Verfahrens eine Ursachenanalyse für den hohen Zeitbedarf der Endlagersuche erfolgen und die Diskussion zugelassen werden, wie das Suchverfahren verschlankt werden kann. Das Suchverfahren sollte dabei neben der Endlagersicherheit auch die Generationengerechtigkeit, die Zwischenlagerung, die Akzeptanz sowie die Finanzierbarkeit und die Machbarkeit des Vorhabens angemessen berücksichtigen. Ziel sollte ein Endlagersuchverfahren mit überschaubarem Zeitrahmen sein.
Grundlegende Analysen und Korrekturansätzen für das Endlagersuchverfahren finden sich beispielsweise in den Artikeln von Herrn Professor Thomauske (Artikel „Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? Der Realitätsschock“ in atw 03-2023) und Herrn Prf. Röhlig (Artikel „Zum Zeitplan des Standortauswahlverfahrens für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle in Deutschland“ in atw 04-2023) aus dem Jahr 2023. Ende 2024/Anfang 2025 folgten auch konkrete Vorschläge verschiedener im Verfahren involvierter Akteure. Im Positionspapier der Entsorgungskommission des Bundes (ESK) „Standortauswahlverfahren für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle: Beschleunigungspotenziale und strategische Vorgehensweise bei der Identifikation von Standortregionen (Phase I der Standortauswahl)“ vom Oktober 2024 wird beispielsweise eine Überprüfung vorgeschlagen, ob insbesondere das Wirtsgestein Kristallin frühzeitig aus dem Verfahren auszuschließen ist. Begründet wird dies mit der geringen Erkundbarkeit der Bildung von Wasserwegsamkeiten im Gestein und dem begründeten Zweifel daran, dass auf Basis des Standes von Wissenschaft und Technik ein dauerhafter Einschluss der radioaktiven Abfälle über technische und geotechnische Barrieren (Behälterlösung gemäß Endlagersystem 2) möglich ist. Weiterhin schlägt die ESK bereits am Ende der Phase I ein wirtsgesteinübergreifendes Ranking vor, um so eine geringe Anzahl an Standortregionen zu erhalten.
Im März 2025 wurden von der BGE eigene Vorschläge zur Verfahrensoptimierung veröffentlicht (BGE-Papier "Diskussionsvorschlag zur zeitlichen Optimierung des Standortauswahlverfahrens - Vom Standortregionenvorschlag bis zur Standortfestlegung" Stand 30.01.2025). Neben Empfehlungen zur Optimierung von Verfahrensabläufen, schlägt die BGE vor, die Phasen II und III zusammenzulegen und durch den Einsatz fortschrittlicher Bohrtechnik auf den Bau von Erkundungsbergwerken zu verzichten. Laut BGE soll damit die Festlegung eines Endlagerstandortes zur Mitte des Jahrhunderts möglich sein.
Das BASE hat ebenfalls im März 2025 auf Grundlage der Publikationen von ESK und BGE Vorschläge für eine Beschleunigung des Verfahrens gemacht (BASE-Papier "Beschleunigungspotenziale im Standortauswahlverfahren" Stand März 2025). Das BASE sieht Beschleunigungspotenziale vor allem in der Zusammenfassung von Phase II und III, die Begrenzung der Anzahl der Standortregionen am Ende von Phase I und die Optimierung von Bergrechtlichen Zulassungsverfahren.
Den Vorschlägen von ESK und BGE ist gemein, dass sie eine grundlegende, zeitnahe Novellierung des StandAG notwendig machen würden. Die Umsetzbarkeit und die tatsächlichen Beschleunigungspotenziale der Vorschläge gilt es nun zu prüfen.
- Überblick
- Die neue Endlagersuche
- Ablauf des Standortauswahlverfahrens
- Schritt 1 der Phase I
- Schritt 2 der Phase I
- Spezieller Frage-/Antwortkatalog zum Arbeitsstand der BGE
- Zeitbedarf der Endlagersuche
- Zeitbedarf der Endlagersuche im Ausland
- Weiterführender fachlich fundierter Frage-/Antwortkatalog
Weiterführende Informationen
Gesetzliche Grundlagen
- Standortauswahlgesetz (StandAG)
- Endlagersicherheitsanforderungsverordnung (EndlSiAnfV)
- Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung (EndlSiUntV)
Aktuelle Links
- BASE-Papier "Beschleunigungspotenziale im Standortauswahlverfahren" Stand März 2025
- BGE-Papier "Diskussionsvorschlag zur zeitlichen Optimierung des Standortauswahlverfahrens - Vom Standortregionenvorschlag bis zur Standortfestlegung" Stand 30.01.2025
- Rahmenterminplanung Standortauswahl bis zum Standortregionenvorschlag, Stand 31.12.2024 der BGE
- Infopapierpapier - Auf dem Weg zu den Standortregionen Vorgehensweise zur Veröffentlichung von Arbeitsständen aus den rvSU, Stand 18.07.2024 der BGE
Links zu aktuellen Veranstaltungen
- Liste der aktuellen Termine auf der Internetseite des NBG
- BGE-Veranstaltung am 03.11.2025 "Betrifft: Standortauswahl - Veröffentlichung weitere Arbeitsstände"
Links zum bisherigen Verfahren
- Zeitliche Betrachtung des Standortauswahlverfahrens aus Sicht der BGE und weitere Dokumente
- Artikel aus der Fachzeitschrift atw 03-2023: "Ist das Standortauswahlver-fahren gescheitert?" von Prof. Bruno Thomauske
- Stellungnahme des BASE zur ersten zeitlichen Betrachtung des Stand-ortauswahlverfahrens
der BGE - Artikel aus der Fachzeitschrift atw 04-2023: "Zum Zeitplan des Standort-auswahlverfahrens für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle in Deutschland" von Klaus-Jürgen Röhlig
- Veröffentlichung der BGE „Vorgehen zur Ermittlung von Standortregionen aus den Teilgebieten, Stand 04.10.2023“
- Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Unterstützung des BASE bei der Prozessanalyse des Standortauswahlverfahrens (PaSta)“
Weitere Internetseiten
- Informationsplattform des BASE zur Endlagersuche
- Nationales Begleitgremium (NBG)
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
- Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)
- Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)
- Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe
- Internetforum BGE
- Rat der Jungen Generation bei der Atommüll-Endlager-Suche (RdjG)